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Wenn Sportwetten das Wochenende bestimmen

Aktualisiert: 22. Feb. 2022

Wolfsburg. Samstag Mittag, 15:20 Uhr. Es ist ein typischer Bundesligaspieltag. Vor Anpfiff noch schnell einen Tippschein machen, denkt sich Thomas. Er greift sein Handy, öffnet die App mit weißem T auf rotem Hintergrund. Er entscheidet schnell auf welche Spiele er am heutigen Spieltag wetten möchte und bestimmt den Einsatz. „Heute gewinnt Dortmund gegen Wolfsburg“, denkt er sich und setzt zehn Euro. Kurz mit den Freunden über die Tippscheine sprechen und dann Fußball schauen. Mal sehen, was der Spieltag mit sich bringt...


Foto: Pexels

Der Mann, der 20 Minuten zuvor die Bar in der Kaufhofpassage in Wolfsburg betritt, sieht zufrieden aus. Er setzt sich, bestellt ein Bier und nimmt die Maske ab. Wir kommen ins Gespräch. Thomas möchte seinen echten Vornamen nicht preisgeben.

Er erzählt mir, dass er bereits auf Sportwetten tippt seit er Volljährig ist. Heute tippt er nun seit fast neun Jahren. Thomas sei damals durch Freunde und Bekannte auf Sportwetten aufmerksam geworden. „Jeder, der Fußballfan ist, möchte früher oder später sein Können unter Beweis stellen und setzt Geld auf einzelne Spiele“, erklärt er. Die Corona-Pandemie ging nicht spurlos an ihm vorbei: „Aktuell tippe ich etwas öfter. Ich konnte lange Zeit nicht ins Stadion gehen, weswegen mich die Spiele meines Vereins weniger interessiert haben. Wenn man Fußball nur noch von zu Hause aus schauen kann, dann freut man sich, wenn man einen Tippschein hat und die Mannschaft, auf die man gesetzt hat, ein Tor schießt.“ Sportwetten seien ein allgegenwärtiges Thema an Spieltagen. „Wenn ich mich mit meinen Fußballkumpels treffe, dann haben bestimmt 80 Prozent einen Tippschein in der Tasche. Gerade weil hier in der Kneipenmeile auch ein Sportwettencenter ist, in das man mal eben reinspazieren kann, um ganz spontan noch einen Schein zu machen.“


Die Quote machts


Thomas erzählt, dass er hauptsächlich auf die erste und zweite Bundesliga der Männer tippt – aber das nicht jedes Spiel und jedes Wochenende. „Lieber setze ich auf unwahrscheinliche Quoten, womit ich eine höhere Summe erzielen kann, als auf Spiele, mit klarem Favoriten und geringerer Quote.“ Thomas sehe den Reiz in Sportwetten tatsächlich darin, den größtmöglichen Gewinn zu erzielen. „Ich gewinne lieber selten und dafür einen hohen Betrag als 20 Euro einzusetzen und 40 Euro zu gewinnen.“

Wetteinsätze und Gewinne


Im Glücksspiel muss man nicht zwingend hohe Geldbeträge setzen um einen noch größeren Betrag zurückzubekommen. Viele würden auf Sicherheit setzen, erklärt Thomas. Dabei startet man die Wette mit einem geringen Einsatz – beispielsweise bis zu fünf Euro – und kann bei guter Quote trotzdem ein Vielfaches dabei herausholen. Wettet man zum Beispiel auf den Tabellenletzten, der gegen den Ersten spielt und entgegen aller Erwartungen gewinnt, lässt sich auch mit geringem Einsatz viel Geld gewinnen, da die Quote auf einen Sieg des Außenseiters enorm hoch ist.

Thomas wette im Durchschnitt „meistens einen Zehner“. Manchmal macht Thomas an einem Wochenende auch zwei bis drei Tippscheine. Er führt aus: „Dann bist du halt bei 20 Euro, die du am Wochenende verzockst. Am Ende des Monats bist du dann bei 80 Euro. Das ist kein Betrag, wo ich sagen würde, dass ich auf Essen verzichten müsste. Man muss es sich natürlich leisten können.“


Verlockende Summen


Enorme Gewinne sind keine Seltenheit, erzählt mir Thomas. Auch er hat bereits höhere Summen gewonnen. „Über Tausend bin ich auf jeden Fall schon gekommen.“, berichtet er mit einem Lächeln. Wie sehr Sportwetten das Leben von Thomas prägen, bemerke ich, als er lebhaft von einem Gewinn erzählt, der schon ein paar Jahre zurückliegt. „Einmal habe ich 650 Euro mit fünf Euro Einsatz gewonnen. Das war die höchste Quote, die ich damals gewonnen habe. Das war aber nur pures Glück. In der Nachspielzeit hat Marwin Hitz von Augsburg den Ausgleich geköpft und dadurch habe ich das Geld gewonnen.“ Sein Detailwissen verrät, dass ihm der Gewinn damals viel Freude bereitet hat. Er erinnert sich: „Klar hat ein solcher Gewinn eine große Bedeutung. So oft passiert es nämlich nicht, dass man so viel Geld gewinnt.“


Wachsende Risikobereitschaft


Was passiert, wenn man durch Glücksspiel einen hohen Geldbetrag gewinnt? „Wenn ich mal Geld gewinne, dann setze ich beim nächsten Mal wieder ein bisschen mehr ein. Gerade, wenn man online bei Anbietern wie Tipico wettet, dann ist die Versuchung groß mehr zu setzen, wenn man viel Geld auf seinem Wettkonto hat. Dann denkst du dir: Ist doch egal, ob ich jetzt 50 Euro mehr oder weniger habe.“ Bei Online-Wetten kann man also viel schneller in die Sucht aber auch in die Schuldenfalle rutschen. Bei Wettbüros setzt man zwar auch Geld, jedoch sei die Hemmschwelle größer Bargeld zu verwetten als Zahlen auf einem Online Konto. Denn bei Wettbüros müsse man den Gewinn auch wieder vor Ort abholen und bekommt ihn ausgezahlt. Dann würde es laut Thomas leichter fallen, mit dem Gewinn beispielsweise Essen zu gehen oder den Betrag auf das Girokonto einzuzahlen.


Gewinnsummen im vierstelligen Bereich


Ich stelle mir die Frage, was die größte Summe sei, die er durch Sportwetten hätte gewinnen können. Thomas entgegnet: „Ich habe bestimmt schon mal Tippscheine gehabt, durch die ich 2000 Euro oder mehr hätte gewinnen können. Je höher die Summe aber ist, desto geringer ist die Chance, dass man die Wette gewinnt“. Dass der Tippschein damals nicht aufging, habe Thomas jedoch nicht traurig gemacht. „Es macht ja keinen Sinn einen Tippschein zu erstellen, mit dem du 10.000 Euro gewinnen könntest, obwohl du schon vorher weißt, dass er niemals aufgehen wird. Du willst ja immer die Hoffnung haben und mitfiebern, doch etwas zu gewinnen“, berichtet er. Eine gewisse Hoffnung hohe Summen zu gewinnen, habe man laut Thomas trotzdem: „Sonst würde man das ja nicht machen. Realistisch gesehen, ist die Wahrscheinlichkeit trotzdem sehr gering, dass das klappt.“


Lust auf Fußball steigt


Trotz des bestehenden Risikos Geld zu verlieren, erklärt Thomas worin genau der Reiz von Sportwetten besteht. „Wenn man auf einzelne Spiele gewettet hat, dann sind diese automatisch spannender und man verfolgt sie intensiver. Auf den Lieblingsverein muss man nicht unbedingt wetten, da freut man sich auch so wenn die gewinnen.“ Wenn man zum Beispiel auf ein Zweitligaspiel tippe oder ein Spiel anschaue, welches man von der Couch aus verfolgt, dann seien diese Spiele durch den Tippschein viel interessanter, meint Thomas.


Einfach aufhören?


Sportwetten begleiten Thomas mittlerweile seit fast neun Jahren. Durch sie hat er einige Gewinne aber auch einige Verluste hinnehmen müssen. Ich stelle Thomas die Frage, ob er ohne Probleme aufhören könnte, Tippscheine zu erstellen. Ein nachdenkliches Gesicht schaut mich an. Stille. Mit grübelnder Stimme antwortet er: „Schwieriges Thema. Ich wüsste einfach nicht, warum ich das machen sollte. Wenn ich ein paar Euro im Monat verzocke, dann juckt mich das nicht so. Ich könnte das Geld auch anderweitig investieren. Klar könnte ich damit sinnvolle Sachen machen, aber ich könnte es auch einfach versaufen.“ Ich möchte von ihm wissen, ob er sich als glücksspielsüchtig bezeichnet. Daraufhin antwortet er: „Eine kleine Sucht ist es schon, sonst würde ich es vielleicht nicht tun. So lange es im Rahmen bleibt und ich mich dadurch nicht verschulde, ist es in Ordnung.“ Angst, dass er noch weiter ins Glücksspiel abrutscht habe Thomas nicht. Nach eigenen Angaben mache er das schon seit Jahren und habe sich noch nie verschuldet. Er gibt aber zu, dass er durch die Pandemie öfter und mehr Geld eingezahlt habe als zuvor. Wie viel Geld er in den fast neun Jahren durch Sportwetten verloren hat, kann Thomas nicht sagen. „Darüber denke ich nicht nach. Kann ich auch nicht so genau sagen. Wahrscheinlich kann man online nachschauen, aber ich kann keine konkrete Summe nennen.“



| von Shannon Lang


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