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Was bringt Knast überhaupt?

Ein Kommentar


Stand 2021 sitzen fast 44 600 Männer und Frauen in deutschen Gefängnissen. Aber was bringt Knast überhaupt? Das altbekannte Ziel? Natürlich, die Resozialisierung der Inhaftierten und der Schutz der Gesellschaft vor weiteren Straftaten. So weit so gut. Aber wie viel tut die Gefängnisleitung, die Justiz, der Staat und auch die Gesellschaft eigentlich dafür, dass dieses Ziel auch umgesetzt wird? Kann dieses Konzept überhaupt funktionieren?

Foto: Katharina Schwanz


Man kann das Privileg der Freiheit nur in ihrer Vollkommenheit verstehen, wenn man weiß, was es bedeutet eingesperrt zu sein. Vieles was in Gefängnissen passiert, können wir, die wir ja in Freiheit leben, nicht verstehen. Das große Ziel sollte sein, den Menschen bessere Perspektiven für ein Leben nach der Inhaftierung zu geben. Jemand der eine Zukunftsperspektive hat, der kann sich doch eher von den Fesseln wiederaufkommender Kriminalität befreien, als jemand der keine Hoffnung mehr auf ein normales Leben danach hat. Man muss ihnen helfen die Chancen und Auswege zu sehen und auch zu nutzen, sich aber auch aktiv dafür einzusetzen, dass dies gelingt.


Die Menschen dort brauchen eine Bezugsperson. Jemanden vor Ort. Eine:n Sozialpädagog:in, eine Selbsthilfegruppe oder gewissermaßen eine:n Freund:in. Die meisten Häftlinge haben Angst vor Therapeut:innen oder Psycholog:innen. Denn diese stellen meistens viel zu übereilte Diagnosen. Diagnosen, ohne den Menschen und seine Hintergründe, seine Geschichte, zu kennen und zu hinterfragen. Diagnosen, die man in seinem Leben nicht mehr los wird. Diagnosen, die zu Vorurteilen führen, welche dann die Wiedereinführung in die Gesellschaft fast unmöglich machen. Die Insass:innen sind völlig alleine hinter den meterhohen Mauern. Abgeschottet und verurteilt von der Gesellschaft. Damit eine erfolgreiche Reintegration in die Gesellschaft und das Leben in Freiheit gelingen kann, muss man den Kontakt zur Außenwelt jedoch überhaupt herstellen. Eine Gratwanderung zwischen dem Ziel die Häftlinge auf die Zeit nach der Inhaftierung vorzubereiten und auch den Schutz der Insass:innen und der Gesellschaft zu gewährleisten. Nach ihrer Entlassung mündet die neugewonnene Freiheit jedoch oft in völliger Überforderung. Teilweise so extrem, dass viele lieber wieder zurück hinter die „geschützten Mauern“ geflüchtet wären, als sich der feindseligen Gesellschaft auszusetzen und mit den Stigmata zu kämpfen, die an den Ex-Sträflingen haften.


Bei den Menschen in Freiheit, der Gesellschaft, herrscht zum Thema Gefängnisse und Strafvollzug ein klassisches Schwarz-Weiß-Denken. Die Meinungen gehen weit auseinander. Die einen sagen, menschenunwürdige Bedingungen und Gefängnisse sollten abgeschafft werden, während die andere Hälfte darauf plädiert, die Inhaftierten hätten es noch viel zu gut und es müsse so sein, dass sie vom Rest der Welt weggesperrt sind. Und ja, in vielen Fällen ist das auch gut so. Aber wie sieht es auf der anderen Seite aus? Nicht alle Inhaftierten sind Mörder:innen oder kriminelle Drogenhändler:innen. Man muss doch davon ausgehen, dass nicht alle Straftäter:innen mutwillig verboten handeln. Das soll in keiner Weise Straftaten verharmlosen. Es müssen nur jegliche Blickwinkel und Beweggründe in eine Verurteilung miteinbezogen werden. Es gibt jedoch einen großen Unterschied, der oft und gern außer Acht gelassen wird. Nicht Jede:r, der unangepasst oder teilweise auch aggressiv handelt, ist auch antisozial. Es gibt allerdings durchaus Tätigkeiten, in denen aggressives Verhalten in bestimmten Situationen sogar erwünscht ist. Ob es sich dabei um Boxkämpfe handelt oder beispielsweise der Beruf als Türsteher:in oder Polizist:in.


Wieso wandern Straftäter:innen oft immer wieder ins Gefängnis? Begehen teilweise von Kindheit an Straftaten und schaffen den Absprung nicht? Dafür gibt es durchaus auch wissenschaftliche Erklärungen, bei denen in den meisten Fällen die Gründe bereits weit in die Kindheit und sogar die Schwangerschaft zurückzuführen sind. Hier sind oft Aggressionen und antisoziales Verhalten der einzige Weg, den sie kennen und das in vielen Situation ihres Lebens. Oft stammen sie aus prekären Verhältnissen, was darauf abfärbt, wie sie zukünftig andere Menschen behandeln. So setzt sich der Teufelskreis fort. Auch biologische Faktoren spielen hier mit rein. Besonders junge Männer in der Pubertät unterstehen einem großen Druck. Durch die steigende Produktion von Testosteron, neigen sie sowieso schon zu einem höheren Aggressionspotenzial. Das verknüpft mit prekären Lebensumständen, familiärem Druck und dem Fehlen einer schützenden Hand, lässt einen schnell von dem richtigen Weg abkommen. Statt jegliche Beweggründe und Voraussetzungen sowie Lebensbedingungen durchzuspielen und miteinzubeziehen, werden Kriminelle der Einfachheit wegen gemeinsam mit „ihresgleichen“ weggesperrt. Nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Betrachtet man alle Hintergründe sowie externe und interne Gegebenheiten, ist es keine Meisterleistung festzustellen, dass diejenigen unter uns, die die falsche Abzweigung genommen haben, ohne die Möglichkeit auf Rettung, nie auch nur die geringste Chance auf ein normales Leben bekommen haben.

Dass es nicht unser Problem sei, denken wir uns viel zu oft. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir anfangen müssen vom klassischen Schwarz-Weiß-Denken loszukommen und zu realisieren, dass es sehr wohl unser Problem ist. Alles was auf der Welt passiert, ist unser Problem. Die Welt ist bunt und wir müssen uns trauen, unsere von Vorurteilen geschwärzte Brille endlich abzunehmen.


von Katharina Schwanz

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