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Gedealt, gesucht, gefasst - Drogen und Süchte im Gefängnis

Je näher man dem Gefängnis kommt, desto nebeliger und wolkiger wird es auf einmal. Es herrscht eine kalte und irgendwie furchteinflößende Stimmung. Viel sieht man von außen nicht gerade. Die Mauer, die das komplette Gelände umgibt, ist knapp 1,5 Meter lang. Hinter dieser Mauer sitzen Straftäter im geschlossenen Vollzug ihre Freiheitsstrafen ab. Was macht ein solcher Ort mit einem? Ein Ort, der kaum trister sein könnte. Die Justizvollzugsanstalt (JVA Burg) zählt als Hochsicherheitsgefängnis zu den sichersten in Europa und einem der modernsten in ganz Deutschland. Da fragt man sich doch, wie es sein kann, dass selbst hier mit Drogen und allerhand Verbotenem gedealt wird.

 

6:30 Uhr am Morgen. Die Zelle wird geöffnet. „Zeig mir dein Gesicht, lebst du noch?“ Die Lebendprüfung. So beginnt jeder einzelne Tag in der Justizvollzugsanstalt erinnert sich ein ehemaliger Inhaftierter, der nicht genannt werden will. Wir nennen ihn Henry.


Foto: Katharina Schwanz


Er erzählt, wie schwer vorstellbar es für uns doch ist, eingesperrt zu sein. Wie es ist, nur zwei-Mal am Tag an die frische Luft zu dürfen oder Stunden damit zu verbringen an die Decke seiner Einzelzelle zu starren. Es herrschte gerade in der Anfangszeit ein großes Gefühl der Einsamkeit und einer Art des Verloren-Seins. Man dürfe keine Schwäche zeigen, aber wenn man den Boss markiere, sei das auch nicht wirklich förderlich, berichtet der ehemalige Insasse weiter. Alle möglichen Genussmittel wie Tabak, Zigaretten, Kaffee oder auch einfach Süßigkeiten gelten hier als eine Art Gefängniswährung. Auch Tauschgeschäfte sind innerhalb der Mauern unter den Inhaftierten sehr beliebt.

Zum Thema Drogen sagt mir Henry nur so viel: „Man kriegt se‘ rein.“. Er selbst hat von Hasch, Marihuana oder auch selbstgebranntem Alkohol etwas mitbekommen. Sogar ein Handy wurde von einem Häftling versteckt. Auf welche Weise etwas hereingeschmuggelt wird, darüber lässt sich jedoch nur spekulieren. Man sollte meinen, dass gerade Häftlinge, die aufgrund von Drogendelikten einsitzen, aus ihren Fehlern lernen. Aber Fehlanzeige. In Gefängnissen stellt die Einschleusung von Drogen auf die andere Seite keine Probleme dar. So hat es jedenfalls Henry für sich erlebt.


Die Thematik des Drogenschmuggelns innerhalb der Gefängnismauern ist durchaus ein bekanntes Problem. Wollte man dies gänzlich verhindern, müsste man jeglichen Kontakt zur Außenwelt unterbinden, was sich mit dem Grundsatz der Resozialisierung und den verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbaren ließe. So auch Ministeriumssprecherin Ute Albersmann (Volksstimme; 29.01.2016). Das Einschmuggeln von Drogen könne nicht gänzlich vermieden werden, so heißt es auch von Seiten des Ministeriums Sachsen-Anhalt (Volksstimme; 29.01.2016). Wie genau Drogen überhaupt ins Gefängnis gelangen, ist nicht ganz klar. Übergabe bei Besuchen, Überwürfe über die Mauern, Verstecke in Postsendungen oder durch diverse Lieferanten. Schlupflöcher gibt es immer. Drogenentzug in Haft gestaltet sich also durchaus schwieriger, als man annehmen sollte, wenn die Drogen einem doch förmlich unter die Nase gehalten werden. Das wissen die Gutachter der verschiedenen Fälle, und Angeklagte werden deswegen häufig statt in den geschlossenen Vollzug in eine Entzugsklinik oder dem Maßregelvollzug eingewiesen. Absurderweise sind die Verlockungen wohl auch in einem Hochsicherheitsgefängnis wie der JVA Burg einfach zu groß.


Durch viele amerikanische Filme haben wir ein ganz falsches Bild von Gefängnissen vermittelt bekommen. In der JVA Burg gibt es keine Gangs oder Anführer und auch die Schließer, beziehungsweise Justizvollzugsbeamte, sind nicht die Bösen, wie es oft in Filmen und Serien dargestellt wird. Das Verhältnis zwischen den Beamten und den Häftlingen beruhe auf gegenseitigem Respekt, erzählt Henry. „Das sind die einzigen Menschen von außen, die du täglich siehst!“ Als Häftling versucht man sich mit den Wärtern gut zu stellen. Zellendurchsuchungen stehen jedoch auch wie in Filmen auf der Tagesordnung. Diese finden meistens ohne Ankündigung statt, wenn man sich gerade nicht in seiner Zelle aufhält. Entweder wegen eines Verdachts auf Schmuggelware oder stichprobenartig.

Die Verstecke der Insassen für Drogen, Handys oder anderem sind jedoch alles andere als unkreativ. Sie haben ja immerhin viel Zeit, alles genau auszuklügeln. Ob bei Besuchszeiten in Windeln von Kindern, Tennisbälle welche über die Mauer geworfen werden, oder im eigenen Hab und Gut versteckt, ist nichts unmöglich. Womit verbringt man aber die Monate oder auch vielen Jahre, die sie in der JVA abzusitzen haben? Aufgeschlossen werden die Zellen drei Mal am Tag. Die restliche Zeit verbringen die Häftlinge in ihren Zellen, so wie auch bei den Mahlzeiten. Gottesdienste finden ein- oder zweimal pro Woche statt und auch wenn Henry nicht gläubig ist, schwärmte er fast, als er davon erzählte. Um Gott ging es hier eher weniger, aber der rege Austausch, der zwischen den Insassen stattfand, war wie eine Pause von dem Gefühl in die Enge getrieben zu werden und eingesperrt zu sein.

Die Männer in Haft sind einsam und haben teilweise Depressionen oder andere Probleme, mit denen sie doch größtenteils alleine sind. Es gibt viel Zeit zum Nachdenken. Natürlich werden ihnen dahingehend auch von der JVA Burg und dem zuständigen Anstaltsarzt unterstützende Medikamente verabreicht.

Daniel Laqua arbeitet ehrenamtlich beim Blauen Kreuz, einem christlichen Suchthilfeverband. Die freiwilligen Mitarbeiter sehen ihren Auftrag darin, Suchtkranken und Angehörigen zu helfen sowie einer Suchtentwicklung vorzubeugen. 2008 begann die Zusammenarbeit mit der JVA Burg durch das Projekt „Lifeguard“, einem offenen Angebot für alle Gefangenen der JVA sowie ihren Angehörigen. Das Leitbild des Blauen Kreuzes ist der Glaube an Jesus. Auch Daniel Laqua hat dazu einen persönlichen Bezugspunkt, stellt jedoch im Gespräch klar, dass das zwar sehr konservativ wirken mag, der Verband jedoch sehr offen ist. Das Ziel ist die zufriedene und vor allem dauerhafte Abstinenz bei einem straffreien Leben. Die Sitzungen finden wöchentlich statt und soll den Häftlingen das Gefühl eines sicheren Ortes geben. Hier können sie über alles sprechen, was ihnen auf der Seele brennt und nichts davon hat den Raum je verlassen. Hier geht es auch immer wieder um Fragen wie: Wie soll es nach der Haft weitergehen und schaffe ich es wieder in der Gesellschaft angenommen zu werden? Sie vertrauen Daniel Laqua, da er immer gewillt ist, sich auf Augenhöhe und respektvoll mit ihnen zu unterhalten. Er sieht sie nicht als Schwerverbrecher oder Monster, sondern eher als Männer, die vom falschen Weg abgekommen sind, eine falsche Abzweigung genommen haben, wie auch er vor langer Zeit. Er selbst saß sieben Jahre lang im Gefängnis und weiß daher ganz genau, wie seine Schützlinge sich fühlen. Derzeit können die Selbsthilfegruppen aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden, trotzdem hält Daniel Laqua mit ihnen den Kontakt. Und zwar ganz altmodisch, wie er schmunzelnd erwähnt, über Briefverkehr. Zum Thema Drogen und dem Handel innerhalb der Mauern kann auch er nur zustimmen, dass die Häftlinge an Drogen und an eigentlich alles kommen, was es draußen auch gibt. Dafür gebe es nun einmal Wege und Möglichkeiten, auch in einem Gefängnis, sagt er.


 

Was ist das Ziel einer Inhaftierung? Natürlich die Resozialisierung des Häftlings und der Schutz der Gesellschaft vor weiteren Straftaten, wie es bei Wikipedia geschrieben steht. So weit so gut. Wie der ehemalige Häftling Henry und auch Daniel Laqua vom Blauen Kreuz bereits gesagt haben: Wollen Insassen Drogen in das Gefängnis bringen, dann machen sie das auch möglich. Es gibt immer Wege die Lücken in den Sicherheitssystemen auszunutzen. Diese wird man wahrscheinlich auch nie ganz füllen können. Angebote der Suchthilfe, wie es das Blaue Kreuz tut, sind wohl die Beste Möglichkeit den Insassen sowie deren Angehörigen die notwendige Hilfe zu liefern und zu versuchen ihnen einen Ausweg aufzuzeigen. Sie gewissermaßen an die Hand zu nehmen und wieder auf den richtigen Weg zu führen.


| von Katharina Schwanz



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