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PainKILLER

Trauriger Rekord in den USA: 100 000 Drogentote innerhalb eines Jahres.Fentanyl laut U.S. Center of Disease Controland Prevention (CDC) anknapp Zweidrittel der Überdosen beteiligt.


Foto: Leandra Teschner

Als Droge schwer zu dosieren und unberechenbar, in der medizinischen Anwendung extrem wirkungsvoll: Fentanyl. Es ist das bislang stärkste in der Humanmedizin verwendete Opioid. Allein zwei Milligramm sind für den menschlichen Organismus tödlich. Von Ärzt:innen fachkundig angewendet, erleichtert das synthetische Fentanyl vor allem Krebspatient:innen im Endstadium das Leben. Denn genau dafür wurde es vor über sechzig Jahren von Paul Janssen in einem belgischem Labor entwickelt.

Wie erfolgreich Fentanyl in der Medizin Einzuggehalten hat, wird deutlich, wenn Dr. Martin Heurich, Oberarzt für spezielle Schmerztherapie am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, über die Gabe des Medikaments spricht. Seit Jahren, so erläutert er, gilt das Opioid als Standard- Schmerzmittel bei Operationen und wird zudem bei verschiedenen Formen von chronischenSchmerzen eingesetzt, ferner auch bei Rückenschmerzen. Unter fachkundiger Aufsicht stellt das Opioidfür den Patienten seiner Ansicht nach eine eher geringe Gefahr dar. Auch Daniel Zeis, Teilbetriebsleiter der Ambulanten Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke und Suchtgefährdete in Potsdam erklärt:„Die Wirkung von Fentanyl ist opioidtypisch: sedativund schmerzlösend.“

Doch Fentanyl hat zahlreiche, eher unspezifische Nebenwirkungen. Wie auch bei anderen Opioiden können Übelkeit, Kopfschmerzen, starker Juckreiz, Halluzinationen und Magen-Darm-Probleme auftreten. Die Einnahme einerÜberdosis endet meist mit Atemstillstand. Die World Health Organisation (WHO) unterteilt Schmerzmittel in ein Stufensystem. Fentanyl wurde in die dritte und somit höchste Stufe eingeordnet.


Aber was macht Fentanyl bei Drogenkonsumenten so beliebt und deshalb zur Superdroge? Es ist bis zu 100 mal stärker als Morphin und 50 mal stärker als Heroin. Noch dazu ist die illegale Herstellung sehr günstig. Das nicht pharmazeutische Fentanyl wird hauptsächlich in China produziert. Seinen Weg in den Drogenhandel hat es bereits vor geraumer Zeit in den USA gefunden. Laut dem amerikanischen Drogendezernat wird „verbotenes“ Fentanyl über Mexiko in die USA geschmuggelt und von Dealernin andere Drogengemischt, um das Suchtpotenzial zu steigern. „Ein Kilogramm Fentanyl hat das Potenzial 500 000 Menschen zu töten“, schreibt die United States Drug Enforcement Administration in ihrem Artikel „Facts about Fentanyl.“

Aber auch legales Fentanyl stellt eine große Verlockung dar. Oberarzt Heurich räumt ein, dass ab einer bestimmten Dosierung über einen gewissen Zeitraum hinweg eine körperliche Abhängigkeit entstehe. Wann sich aber eine wirkliche Suchterkrankung entwickelt, hänge von vielen verschiedenen Faktoren ab und sei schwer zu pauschalisieren. „Bei einer Sucht ist immer der Fehlgebrauch ein großes Problem“, erläutert Heurich weiter. Ein erhöhtes Risiko für eine Sucht entstehe, wenn Behandelte, teilweise auch unbewusst, das Schmerzmittel zweckentfremden. Das bedeutet: Die Patient:innen nehmen das verschreibungs- pflichtige Präparatnicht mehr für den primärverordneten Zweck ein, sondern zum Beispiel gegen Stress, Schlafstörungen, Ängste oder Depressionen. Eine Sucht könne so entweder innerhalb kurzer Zeit oder aucherst nach Monatenentstehen. Um eine psychische Abhängigkeit zu verhindern, sei es dahervon besonderer Wichtigkeit, dass Behandler:innen diese Entwicklung frühzeitig erkennen.

Heurich sieht bei nicht tumorbedingten Schmerzen vor allem das Verschreiben von Nasensprays und Tabletten kritisch, denn diese Präparate wirken fast genauso schnell wie wenn man Fentanyl in die Vene spritze. Seine maximale Wirksamkeit entfaltet der synthetische Stoff bereits nach zwei bis drei Minuten und ist damit prädestiniert für einen schnellen „Kick“. Als Schmerzpflaster hingegen entfaltet Fentanylseine ganze Wirkungerst nach sechsbis vierzehn Stunden. Abhängige oder Drogenverkäufer allerdings zweckentfremden diese, indem sie benutzte Schmerzpflaster auskochen und den Fentanyl-Sud nutzen. Damit wird auch die eigentlich unbedenkliche Einnahmeform zur Gefahr.

„Eine Entwicklung wie in den USA ist derzeit nicht zu befürchten“, schätzt Daniel Zeis die Situation hierzulande zusammenfassend ein. „Bei uns wird regelmäßig sensibilisiert und die Einnahme der Schmerzmittel streng überwacht.“ Auch laut dem World Drug Report von 2020 gab es seit 2015 keine nennenswerte Steigerung von Opioid-Missbräuchen. Dennochmachte Fentanyl in den vergangenen Jahren knapp 15 Prozent der Drogentoten in Deutschland aus. Ein Schmerzmittel von so gewaltiger Potenz ist folglich nicht zu unterschätzen.


| von Lara Wichniarz


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