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Sucht als Arbeit. Wie ist es Beraterin zu sein?

Wer hilft Personen, die durch Genussmittel am Boden sind? Warum steht man für diesen Beruf jeden Tag auf? Was sind Ziele und Erfolge in der Beratung? Unser Autor Till Tognino hat mit Evelin Nitsch-Boek von der Suchtberatungsstelle Drobs über das Thema gesprochen.


Lächelnd öffnet Evelin Nitsch-Boek die Tür zur Suchtberatungsstelle Drobs. Es ist ein freundlicher Freitagmittag auf dem Magdeburger Werder. Sie beginnt das Gespräch damit, wie sie ihre Berufung gefunden hat. „Mich motiviert an dem Job zum einen, dass ich am Abend weiß, mit wem ich gesprochen habe und dass ich im Idealfall wichtige Impulse für Klienten setzen konnte“, antwortet Nisch-Boek auf die Frage, warum sie täglich dafür aufstehen würde. „Erfolgserlebnisse, wie wenn ein Klient seine Ausbildung abschließt, motivieren natürlich zusätzlich“, ergänzt sie lächelnd.


Foto: Till Tognino

In der DDR absolvierte sie eine Ausbildung zur Gesundheitsfürsorgerin. Schon damals war sie in der Suchtberatung tätig, aber in der stationären. Seitdem habe sich viel geändert. In der DDR war die Hilfe viel klinischer ausgelegt. Der Umgang mit Drogen und Konsum sei seither viel liberaler geworden, was ihre Arbeit zwar erleichtere, aber auch verändere. „Sucht“ als Thema sei weniger tabuisiert. Grade nach der Wende gab es viele Möglichkeiten, innovative internationale Projekte zu starten, das vermisst sie in den letzten Jahren. Der Aufbruch von damals ist etwas zum Erliegen gekommen. Sie betont: „Ich halte es für wichtig, gerade in der Sozialen Arbeit viele Bereiche und Felder des eigenen Berufs zu durchleben. Dadurch kann man Erfahrungen machen, bleibt geistig gefordert, kreativ und erfinderisch.“ Nach diesem Motto gestaltet sie auch ihr eigenes Arbeitsleben.

So hat sie vor der Leitung der Suchtberatungsstelle in der politischen Kommunikation des Paritätischen Wohlfahrtverbands gearbeitet.


Dass Evelin Nitsch-Boek Sozialarbeiterin mit vollem Herzen ist, merkt man sofort. Sie nimmt ihren Gesprächspartner von Anfang an ernst, ist dabei verständnisvoll, aber auch bestimmt. Grenzen seien bei der Arbeit sehr wichtig. Ihre Klient:innen müssten wissen, was ginge und was nicht, beispielsweise keine Beratung mit „Fahne“. Aber auch sie muss den Punkt kennen, an dem bei ihr Schluss ist. Sie hat schon Fälle an Kollegen abgegeben, weil sie in diesen konkreten Situationen besser auf die Klient:innen eingehen konnten. Dazu kommt: „Bei sehr emotionalen Fällen, wie einem Selbstmord eines Klienten, besprechen wir das sehr intensiv in unserem Team. Das macht auch etwas mit uns, schließlich sind wir Menschen, die mit Menschen arbeiten. Da können Gefühle nicht auf Eis gelegt werden.“ Schwer sei es auch manchmal in der Beratung, wenn die Klient:innen feststellen, dass sie in den Monaten und Jahren der Sucht in ihrem leben nicht vorangekommen sind. „Wenn ein Alkoholiker nach 20 Jahren feststellt, wie viel er durch die Sucht verloren hat, kann das nicht einfach sein. Bei uns geht es dann um den Blick nach vorn. Vergangenes können wir nicht ändern, aber dabei unterstützen, dass es besser wird.“

Zum Abschluss des Gespräches schlägt sie ein Beispiel vor: die „Suchttreppe.“ Dies sei eine Methode, um den schleichenden Prozess der Abhängigkeit zu visualisieren. Die Stufen beginnen bei „Genuss“ und führen über „Gewöhnung“ und „Missbrauch“ bis zur „Abhängigkeit“. Dazu sagt sie: „Das ist ein guter Weg, um Personen zu zeigen, wie schnell es gehen kann, süchtig zu werden. Gerade der Punkt Gewöhnung ist ein unterschätzter Punkt. Das eine Feierabendbier nach jedem Feierabend kann mitunter schwierig werden.“ Man kann erkennen, mit wie viel Leidenschaft Nitsch-Boek hinter ihrem Beruf steht und sich mit Herz und Verstand für ihre Klient:innen einsetzt.


| von Till Tognino

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